St. Marien besaß bis 1942 im Dachreiter mit 7 Glocken das älteste Glockenspiel Deutschlands. 1508 bis 1510 wurde es errichtet.
Das "neue" Glockenspiel mit ursprünglich 37 Glocken (drei volle Oktaven!) wurde von der Glockengießerei Schilling in Apolda 1906 für St. Katharinen in Danzig gegossen. Nachdem es vom "Hamburger
Glockenlager" gerettet worden war, kam es 1953-54 in den Südturm der Marienkirche. Allerdings stammen nur noch 28 Glocken aus der Danziger Katharinenkirche. 8 Glocken mussten schon 1954 neu
gegossen werden. Und: Der Bourdon c' fehlte. Uhrmachermeister Paul Behrens hat es eingebaut.
2019 wurden 14 Glocken "tonkorrigiert" und noch einmal 6 Glocken neu gegossen. Dazu kam der Bourdon, das tiefe c'.
Die technische Instandsetzung 2008 und die musikalische Sanierung 2019 verdanken wir der Großzügigkeit des Lübecker Sponsors Dieter Bruhn. Das Glockenspiel ist mit seinen Chorälen, die sich am
Kirchenjahr orientieren und zur vollen und halben Stunde erklingen, zugleich die "Außenuhr" von St. Marien.
Im Südturm befinden sich noch 4 kleine "Zimbelglocken". Sie demonstrieren, wie die alte Turmuhr vor 2008 funktioniert hat.
"Die Glocken von St. Marien": Das klingt wie der Titel eines spannenden Films oder Buches aus dem Mittelalter. In der Tat: Die Entwicklung des Mariengeläuts in der Zeit vor 1942 bis 2023 ist für "Glockenfans" sehr spannend. Sieben "Phasen" oder "Entwicklungsstufen" sind auszumachen:
Ursprünglich waren es 11 Glocken. 1 kam bereits 1912 in die Kapelle der Heilanstalt Strecknitz (jetzt Universität Lübeck!). 3 mussten im 1. Weltkrieg abgegeben werden. Von den übrigen 7 konnten nur die
4 größten geläutet werden. 3 (Beier-Glocken!) konnten nur angeschlagen werden. 5 wurden in der Brandnacht 1942 zerstört.
2, die Pulsglocke und die Sonntagsglocke, liegen zerborsten auf dem Steinboden der Südturmkapelle und mahnen zum Frieden!
Einbau eines Notgeläuts: 2 Glocken aus St. Johannes in Danzig und
1 Glocke aus St. Marien in Danzig, die den Krieg im "Hamburger Glockenlager" unversehrt überstanden hatten, wurden im Nordturm in einem Stahlglockenstuhl an gekröpften Stahljochen hängend zum Läuten gebracht.
Guß und Aufhängung der großen Pulsglocke: Sie wurde gestiftet vom damaligen Bundeskanzler Adenauer und läutete die 700Jahrfeier ein. Auch sie wurde im Stahlglockenstuhl an einem gekröpften
Stahljoch aufgehängt. Gegossen wurde sie in Heidelberg von F. W. Schilling.
3 neue, Friedensglocken genannt, wurden von der Firma Bachert in Bad Friedrichshall gegossen und in einem neuen Stahlglockenstuhl an gekröpften Jochen angebracht. Sie wurden abgestimmt auf die Pulsglocke.
Die beiden Stahlglockenstühle und die gekröpften Stahljoche wurden durch einen Holzglockenstuhl und gerade Holzjoche ersetzt. Das Ergebnis war eine unglaubliche Klangverbesserung!
2 kleinere Glocken, die von der Firma Rincker in Sinn gegossen wurden sind ebenfalls auf die Pulsglocke abgestimmt und hängen an geraden Holzjochen. Sie bilden den "Sopran" des Geläuts. Den Guss sponserte der ehemalige, inzwischen verstorbene Vorsitzende des St. Marien-Bauvereins Hans-Heinrich Otte.
Noch einmal ein Glockenguss für St. Marien: 3 neue Glocken, auf die Pulsglocke abgestimmt und an geraden Holzjochen angbracht, "veredeln" den Klang des Geläuts von St. Marien. Ihren Guss durch die Firma Rinker verdanken wir dem Sohn des verstorbenen Hans-Heinrich Otte, Holger Otte.
Zusammen mit dem Hauptgeläut von 9 Glocken und dem historischen Sondergeläut der 3 Danziger Glocken verfügt St. Marien nun über eines der größten Glockengeläute in Deutschland. Die spannende Entwicklung "der Glocken von St. Marien" ist zu einem klangvollen Ende gekommen!
In der "Glocken-Kombination", die technisch den höchsten Ansprüchen genügt, können Glockenfans unzählige Dreier-, Vierer-, Fünfer- und Sechser-Glockenkombinationen nach Belieben selbst "ausprobieren". Sie können sich ihre "Lieblingskombination" zusammnstellen! Es ist auch möglich, die drei historischen Danziger Glocken allein oder gemeinsam zu hören und einzelne von ihnen mit Glocken des Hauptgeläutes zu kombinieren. Reizvoll ist es, mit den neun Glocken des Hauptgeläuts zu "spielen" und - natürlich! - die Wucht des Gesamtgeläuts zu genießen.
9 Glocke der Gastfreundschaft, 452 kg, b'+9
Guss: Rincker/Sinn 2019
6 Versöhnungsglocke, 1.516 kg, es'+10
Guss: Bachert/Bad Friedrichshall 1985
3 Abendglocke, 2.994 kg, b°+9
Guss: Bachert/Bad Friedrichshall 1985
8 Ratsglocke, 592 kg, as'+10
Guss: Rincker/Sinn 2019
5 Glocke der Gerechtigkeit, 1.824 kg, des'+10
Guss: Rincker/Sinn 2023
2 Sonntags- und Betglocke, 4.668 kg, as°+10
Guss: Bachert/Bad Friedrichshall 1985
7 Glocke der Hoffnung, 754 kg, ges'+10
Guss: Rincker/Sinn 2023
4 Glocke der Schöpfung, 2.353 kg, ces'+10
Guss: Rincker/Sinn 2023
1 Pulsglocke, 5.817 kg, ges°+8
Guss: F. W. Schilling/Heidelberg 1951
12 Dominicalis, 880 kg, f'+11
Guss: J. G. Anthony/Danzig 1735
(Große Landglocke)
11 Osanna, 1.880 kg, d'+6
Guss: B. Wittwerck/Danzig 1719
(Dominicalis)
10 Gratia Dei, 3.000 kg, c'+5
Guss: J. G. Anthony/Danzig 1740
(Große Glocke)